venerdì 24 giugno 2016

Zwischen Himmel und Erde. Und woanders. Die Illustrationen von Atak

Eines Tages öffnete ich ein Buch und sah ein Langohr, das einem Jäger hinterher rannte. Es war mein erster Arbeitstag in dem Buchladen Il posto delle favole in Rom und ich trat durch dieses Buch in ein wunderbares Universum ein. Nun blätterte ich um und dann wieder und wieder und entdeckte den deutschen Illustrator Atak. Dies war sein erstes in Italien veröffentlichtes Buch: Verrückte Welt (Jacoby & Stuart, Berlin 2009 - Mondomatto, Orecchio Acerbo 2010). Zwei Jahre später lernte ich Atak (Georg Barber) in Montreuil persönlich kennen. Dort verlor ich mich wieder einem Abenteuer (das in Italien nicht veröffentlicht wurde): L'étranger mystérieux, Mark Twain / Atak, Albin Michelle Jeunesse 2012 (Der geheimnisvolle Fremde, Carlsen Verlag 2012): eine perfekte Geschichte, um die Farben und die Energie der Verrückten Welt weiter zu auszuschütten. Die Bilder Ataks erinnern an die Einfachheit der Kindheit (und an die Kindheit des Comics… ich denke an Max Fleisher, Hal Seeger), aber auch an den deutschen Expressionismus.
Atak ist Künstler, Illustrator und Comiczeichner. Unter seinen Arbeiten sind die zuletzt veröffentlichten Bücher Der Garten (Kunstmann, München 2013) und Martha (Aladin, Hamburg 2016), zwei poetische Tribute an die Natur, beziehungsweise an die älteste gezähmte Form der Natur.
Die Illustration von Atak ist lebendig und mit ihr leben die Geschichten auf. In Der Garten sind die Wörter des Textes ein Teil der Grafik; sie sind sowohl semantisch als auch stilistisch von Bedeutung. Die Schwünge der Schrift widerspiegeln die Schwünge in den Gestalten der Tiere, der Pflanzen, der Gesichter, der vibrierenden Energie all der Stimmungen, die Atak zusammensetzt. Er setzt die Figuren zusammen wie in einer Collage, wie in einer Sammlung von Zeichen, die man gut semiotisch analysieren könnte. Das figurative Register enthält Vibrationen und Farben, welche den Figuren etwas Verwirrendes verleihen. In ihrer Topologie fehlt den Bildern ein Zentrum oder es gibt gleich mehrere. Die Bilder haben keine Dreidimensionalität, wirken aber dennoch räumlich. Es ist verblüffend. Aber ich betrachte das Buch und fühle mich wohl, ruhig. Tatsächlich. Wie kann das sein? Die Komposition im Ganzen ruhig. Es ist ein Paradoxon. Die eidetische Organisation des Bildes ist organisch. Jede Linie ist aus der gleichen inneren Bewegung gezogen; jede Linie (eingeschlossen die Linien der Buchstaben) tanzt zu der gleichen Musik. Deswegen ist das Gefühl ein ruhiges. Ruhig wie alles, was aus dem Chaos kommt. Eine solche Ruhe würde von jeglicher anderen Schrift in eine Hölle verwandelt.
Doch ist laut Atak der Garten ein Garten Eden. Ich denke an den römischen Hortus conclusus, an die hängenden Gärten Babylons, an Zen-Gärten. Ich denke an alle Arten von Gleichgewicht, von Blühendem, welches die Menschen gestaltet haben und noch heute kultivieren, um auch sich selbst zu kultivieren.
Urbanisiert und in Eile, wie wir sind, bedeutet heute ein Garten umso mehr die Zeit, stehen zu bleiben, Wurzeln zu schlagen oder wenigstens den Versuch, dessen Wichtigkeit zu erkennen.
Von den Wurzeln zu den Zweigen. Wir wenden den Blick von der Erde gen Himmel, um einen Vogel zu beobachten, den es heute nicht mehr gibt.
Die Wandertaube (Ectopistes Migratorius), war im 18. und 19. Jahrhundert in Kanada und Nordamerika stark verbreitet. Veränderungen des Klimas, des Habitats und die Jagd dezimierten sie; am ersten September 1914 starb im Zoo von Cincinnati Martha, das letzte Exemplar. Ihr widmet Atak sein neues Buch. Ein Buch, das von einer Zeit erzählt, als man schon beim Aufblicken Myriaden von Punkten sah: einen Vogelschwarm, der fließend den Himmel durchzog wie Tinte ein nasses Blatt. („Kann ich nach hause gehen, ohne die Vögel am Tag gehört zu haben?“ Atak, Der Garten). Heute wird der Vogel zu einer Zooattraktion, von einer Touristenschar umringt.
Enttäuscht bemerke ich, dass der Text in Martha in einer einfachen Druckschrift geschrieben ist. Es beißt sich. Oder vielleicht ist es Absicht, sodass die Erzählung sich von den Bildern entfernt, so wie der Mensch sich von der Natur entfernt. Ich verweile weiter bei den Illustrationen. Aufmerksam entdecken meine Augen in dem Wirbel von Pinselstrichen Zitate (noch erstaunlicher als Edouard Manet in Der Garten): Popeye, Mickey Mouse, Caspar David Friedrich, Beavis und Butt-Head, George Grosz, Tim und Struppi, John James Audubon. Details. Geschichten in der Geschichte. Am Ende des Buches, auf einem fast reinen Blatt, findet sich die alte Schrift Ataks wieder. Martha bleibt in der Erinnerung und hinterlässt weißes Papier zum Imaginieren und Nachdenken.

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